Evolutionsstrategien vs. Genetische Algorithmen

Genetische Algorithmen stellen nicht den einzigen Ansatz für die Simulation der Evolution in digitaler Form dar. In den sechziger und siebziger Jahren entwickelte Ingo Rechenberg zusammen mit Hans-Paul Schwefel an der TU Berlin seine Evolutionsstrategie (ES) und stellte sie 1973 in [45] vor. Evolutionsstrategien wurden von ihnen entwickelt, um technische Optimierungsaufgaben zu lösen und die ersten Ansätze ähnelten noch sehr damals bekannten iterativen, aber konventionellen Lösungsansätzen [27]. Der technische Aspekt der Evolutionsstrategien spiegelt sich deutlich in einem Gauss'schen Mutationsoperator wider, der auf phänotypischer Basis funktioniert [45].

Der grundsätzliche Ansatz - nämlich die Natur als Vorbild für eine Optimierungsstrategie zu nehmen - ist sowohl bei GA als auch bei ES gleich, jedoch stützen sich amerikanische Forscher um Holland und Goldberg mehr auf informations- und kodierungstechnische Aspekte der Evolution, während Rechenberg die Natur mehr als Leitfaden ansieht. Als direkte Folge davon wird die Funktionsweise von Genetischen Algorithmen durch Hollands Schema-Theorem und Goldbergs Building-Block-Hypothese erklärt, wobei der Mutation die Rolle eines ``background'' Operators geringer Wichtigkeit mit nur disruptiven Effekten zugewiesen wird [31,19]. Im Gegensatz dazu arbeiteten die ursprünglichen Evolutionsstrategien ausschließlich mit dem Mutationsoperator und der Selektion von Individuen^3.15, wobei die Funktionsweise mit einem Korridormodell der Evolution erklärt wurde.

Beide Modellierungsansätze wurden in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt, unabhängig voneinander und oftmals unter Nichtbeachtung der Ergebnisse der jeweils anderen Schule. Dies hat sich jedoch in letzter Zeit geändert, und man bemerkt in neueren Aufsätzen ein langsames Verschmelzen beider Modelle.